Wittenberge: Summer of Pioneers

Kategorie:

Standortförderung und Leerstand

Marketing und Kommunikation

Stadtgestaltung und Immobilien

Einwohnerzahl: 17.000
Bundesland: Brandenburg
Jahr der Umsetzung: 2019
Projektvolumen: mehr als 100.000 €

Warum Best Practice?

  • Vorreiter: Aus den Erfahrungen wurden übertragbare Handlungsempfehlungen für die Umsetzung von Coworking Spaces im ländlichen Raum entwickelt. Wittenberge dient anderen Kommunen als Vorbild, wie mit Hilfe neuer digitaler Arbeitsformen und einer Unterstützung von Kunst und Kultur neue Bewohner*innen gewonnen und Standortentwicklungen angeschoben werden können.
  • Erfolgsmodell: Über 50% der Pioneers haben Wittenberge zu ihrer neuen Wahlheimat gemacht. Durch sie haben sich drei Firmenneugründungen ergeben. Die große mediale Aufmerksamkeit und die Netzwerke der Pioniere beförderten Zuzug aus Großstädten. Wittenberge konnte so die Abwanderung stoppen und die Bevölkerungszahl stabilisieren.

Zielstellung

Was wollen wir erreichen?

  • Zuzug in die Stadt generieren
  • Neue Impulse für die Stadtentwicklung schaffen, insbesondere zur Nutzung von Leerständen
  • Die Potentiale der Stadt einer breiteren Zielgruppe präsentieren

Projektbeschreibung


Was ist unser Projekt? Worum geht es?

Mit dem „Summer of Pioneers“ lud die Stadt im Juli 2019 20 urbane Digitalarbeiterinnen und -arbeiter ein, für sechs bis zwölf Monate auf Probe in Wittenberge zu wohnen und kostenlos einen eigens eingerichteten Coworking Space zu nutzen, der auch Interessierten aus der Region offenstand.

Hintergrund: Wittenberge ist eine Kleinstadt auf halber Strecke zwischen Berlin und Hamburg. Seit der Wiedervereinigung hat der ehemalige Industriestandort fast vierzig Prozent seiner Einwohner verloren. Die alten Industriebauten haben teilweise eine neue Nutzung gefunden, trotzdem sind im Stadtbild noch erhebliche Leerständen erkennbar.

Die Pioniere sollten ihr Wissen und ihre Netzwerke in der Stadt einbringen sowie das kulturelle Angebot bereichern. Die Möglichkeit, für eine begrenzte Zeit in die Stadt zu ziehen, hat eine Entwicklung angestoßen, mit der kaum jemand gerechnet hat. Mehrere der „Pioniere auf Zeit“ sind zu neuen Wittenbergern geworden, die sich auch nach Abschluss des Projektes für ihre neue Wahlheimat engagieren. Drei von ihnen haben den Stadtsalon „Safari“ eröffnet: In den Räumen eines ehemaligen Dekorationsgeschäfts schufen sie einen Ort für Kultur, Projekte und Austausch. Verstetigt hat sich das Projekt mit der Gründung der elblandwerker* Anfang 2021, eine Kooperative für Arbeit, Leben und Wandel in der Prignitz, die mittlerweile über 150 Mitglieder hat und für „Neuankömmlinge“ eine erster Anlaufpunkt ist.

Projekt-Fahrplan

Wie sind wir vorgegangen?

  • Februar 2019: Kontaktaufnahme der Neulandia UG mit der Stadt Wittenberge. Gemeinsame Ausarbeitung des Konzepts. Neulandia hat sich auf das Thema „Neues Leben und Arbeiten auf dem Land“ spezialisiert und hierzu deutschlandweit eine Community aufgebaut.
  • Februar–Mai 2019: Entwicklung der Projektstruktur und Projektfinanzierung, Akquise der Projektpartner*innen
  • Mai – Juli 2019: Bewerbungsphase und Auswahl der Projektteilnehmer*innen, Herrichtung und Einrichtung des Coworking Space und der Projektwohnungen. Der Kontakt zu potenziellen Teilnehmer*innen erfolgte über das Netzwerk von Neulandia.
  • August 2019: Durchführung „digitalsommer 2019“ in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung des Landes Brandenburg, der die Zukunft des digitalen Arbeitens auf dem Land u.a. in einem „Pop-Up Coworking Space“, mit Stadtspaziergängen, Diskussionsrunden und Networking-Veranstaltungen aufzeigte.
  • August – Dezember 2019: Durchführung von über 30 eigeninitiierten Projekten durch die Pioneers (u.a. Stadtsalon Safari e.V., Volle Halle – Die Klimashow, Barcamp – digital und kreativ auf dem Land – Die Elbregion zwischen Berlin und Hamburg gemeinsam entwickeln)
  • Dezember 2019 – Januar 2020: Organisation der Projektfortführung bis Juni 2020 (Akquise Fördermittel, Durchführung neue Bewerberauswahl)
  • Januar – Mai 2020: coronabedingte Einschränkungen = keine Veranstaltungen
  • Mai – Juni 2020: Erarbeitung von Handlungsempfehlungen und Erfolgsfaktoren für die Umsetzung von Coworking Spaces im ländlichen Raum und die Wirkungsweise einer Community aus Digitalarbeiter*innen und Kreativwirtschaftenden für die positive Standortentwicklung und das Standortmarketing
  • Juni – August 2020: Projektabschluss und Fertigstellung der konzeptionellen Grundlagen für die Verstetigung der Projekterfolge
  • 2021: Neulandia organisiert in Zusammenarbeit mit den kommunalen Auftraggebern drei weitere Summer of Pioneers in Altena (NRW), Homberg (Hessen), Tengen (Baden-Württemberg). Die Bewerbungen lagen auch hier je Standort bei rund 100.

Partnerschaften

Wer war mit im Boot?

Stadtverwaltung; Einzelhandel; Hotellerie/Gastronomie; Dienstleistungsunternehmen; Kammern und Verbände; Immobilieneigentümer

Konkret:

Stadt Wittenberge; Neulandia UG; Technologie- und Gewerbezentrum Prignitz GmbH; Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Wittenberge; Coworkland eG; Stadtwerke Wittenberge GmbH; Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg; Wirtschaftsförderung des Landes Brandenburg; Wirtschaftsinitiative Westprignitz e.V.; Elbe Resort „Alte Ölmühle“; Elblandmosterei; Kaffeerösterei Elbe455 GmbH; PYÜR – Tele Columbus AG

Aufwände

Finanzen:

Die Gesamtausgaben beliefen sich auf ca. 170.000€. Davon wurden ca. 60.000€ in den Coworking Space investiert (Miete, erstmalige Möblierung, laufende Bewirtschaftung). Die Einrichtung und Betreibung erfolgte im 1. Halbjahr über die CoworkLand eG. Im Zweiten Halbjahr hat die kommunale Wirtschaftsförderung die personelle Betreibung übernommen.

Weitere 40.000€ entfielen auf die Wohnungseinrichtung inkl. Nebenkosten. Zur teilweisen Deckung der Unkosten wurde von den Teilnehmer*innen des Projektes eine Pauschale von mtl. 150,- € pro Zimmer verlangt.

Auf Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Projektmanagement entfielen ca. 70.000 €. Der Betrag teilte sich in Kosten für Dritte und Personalkosten für kommunales Personal.

Der Summer of Pioneers wurde mit insgesamt 78.600€ gefördert. Sie setzten sich zusammen aus Lottomitteln des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg (67.600 €), Mittel der Städtebauförderung (7.500 €), einem Preisgeld der IHK Westbrandenburg für einen Wettbewerb zur Stärkung des ländlichen Raums (3.000 €) sowie dem Preisgeld „Menschen und Erfolge“ des Bundesministeriums des Innnern, für Bau und Heimat (500 €).

Der Eigenanteil der Stadt Wittenberge betrug 60.000€. Weitere 32.400€ flossen durch Leistungen Dritter ein.

Personal:

Für das Projekt wurde seitens der Stadt Wittenberge für die erste Phase 07/2019 – 12/2019 eine Projektstelle in Vollzeit eingerichtet. Darüber hinaus sind seitens der Kooperationspartner weitere zusätzliche Arbeitsstunden in das Projekt geflossen.

Gut zu wissen

Unsere Tipps für Nachahmer

Es handelte sich um ein Pilotprojekt, d.h. Strukturen für das Projekt mussten kurzfristig erstellt werden. Das war eine besondere Herausforderung, weil viele Partner eingebunden werden mussten und das Projekt einen sehr dynamischen Verlauf hatte. Die Aufgabenteilung innerhalb des Projektes war kontinuierlich anzupassen.
Die kommunale Seite war aufgefordert, den Projektteilnehmer*innen (Pioneers) laufend als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen und die jeweiligen Ideen zu unterstützen. Das erforderte eine pragmatische Arbeitsweise.

Wichtig für Nachahmer-Städte ist es, eine Aufgeschlossenheit für ein solches Projekt mitzubringen, ausreichend Zeit für die Projektbegleitung einzukalkulieren und gerade in ländlich geprägten kleineren Städten einen Weg zu finden, die Sprache der Digitalarbeiter*innen aus den Metropolen und deren Tun zu übersetzen, um Akzeptanz bei der Bevölkerung zu erzeugen.