München: Wohn- und Kulturzentrum „Bellevue di Monaco“

Kategorie:

Erlebnis- und Lebensraum

Stadtgestaltung und Immobilien

Organisation und Zusammenhalt

Einwohnerzahl: 1.560.000
Bundesland: Bayern
Jahr der Umsetzung: seit 2018
Projektvolumen: mehr als 100.000 Euro

Warum Best Practice?

  • Lebendiger Stadtraum: Intelligente Kopplung verschiedener Nutzungen für ein integratives und vitales Miteinander in zentraler, städtischer Lage

  • Partnerschaft: Das Projekt wird von einer Sozialgenossenschaft mit über 500 Mitgliedern getragen und durch das Engagement von Geflüchteten und vieler Ehrenamtlichen umgesetzt

  • Nachverdichtung: Zukunftsweisendes Beispiel für gelungene Dachflächenaktivierung

Zielstellung

Was wollen wir erreichen?

  • Integration mittels Beratung und Kultur: Räumlichkeiten schaffen, in denen geflüchtete Menschen Unterstützung finden und ein Austausch mit Einheimischen stattfindet 
  • Erhalt bestehender Bausubstanz und ressourcenschonende Sanierung
  • Besonderer öffentlicher Erlebnisraum über den Dächern von München

Projektbeschreibung

Was ist unser Projekt? Worum geht es?

Im dichten Münchner Glockenbachviertel sollte alter Gebäudebestand und ein Bolzfeld begehrtem Neubau weichen. Dagegen regte sich Widerstand aus vielen Teilen der Gesellschaft.

Durch bürgerschaftliches Engagement wurden drei städtische Häuser in der Innenstadt Münchens vor dem Abriss bewahrt. Dort entstand ein von der Sozialgenossenschaft Bellevue di Monaco eG getragenes Wohn-, Beratungs-, Bildungs-, und Kulturprojekt für geflüchtete Menschen. Es setzt ein Kontrapunkt zu der sich im Münchner Glockenbachviertel zuspitzenden Gentrifizierung.

Über die Sozialgenossenschaft wurde das notwendige Eigenkapital zusammengetragen. Mit begrenztem Budget und viel ehrenamtlichem Engagement wurden die Gebäude Müllerstraße 2-6 für und mit Flüchtlingen saniert. Während dem Sanierungsprozesses qualifizierten ortsansässige Handwerksfirmen Geflüchtete für eine Ausbildung. Die Bausubstanz und Bauteile wurden im Sinne der Nachhaltigkeit weitestgehend erhalten.

In der Müllerstraße 2 befinden sich heute Bildungs- und Kulturräume. Neben Sprachkursen und Beratungsangeboten finden auch Theater, Konzerte, Podiumsdiskussionen etc. statt. Die künstlerische Kompetenz geflüchteter Menschen, ihre Fragestellungen und Perspektiven sind die Basis, auf denen die künstlerischen Konzepte entwickelt werden.

In den Gebäuden Müllerstraße 4 und 6 sind Wohnungen für unbegleitete Minderjährige und Heranwachsende in Jugendhilfe, Flüchtlingsfamilien sowie Bestandsmieter*innen. Als Ort der gemeinsamen Begegnung ist im Erdgeschoss ein Info-Café eingerichtet. Es wird gemeinsam mit Geflüchteten organisiert.

Auf dem Wohnturm ist das Dachsportfeld ein besonderer Erlebnisraum. Über die Initiative „Bunt Kickt Gut“ ist der Platz für jedermann kostenlos buchbar.

Das Bellevue di Monaco bietet nun etwa 40 Menschen Unterkunft. Es ist eine zentrale Anlaufstelle zum Thema Flucht und Migration und bringt Bewohner*innen, Nachbarschaft und Interessierte zusammen. Geflüchteten wird durch das Projekt ein wirkliches Ankommen ermöglicht.

Projekt-Fahrplan

Wie sind wir vorgegangen?

Die sich im städtischen Besitz befindenden Gebäude Müllerstraße 2-6 im Münchner Glockenbachviertel sollten abgerissen werden.

  • März 2013: Aktivisten gründen die fiktive Immobilienfirma Goldgrund und sanieren eine Wohnung in der Müllerstrasse 6. Die Gorilla-Renovierungsaktion wurde mit einem Video veröffentlicht: Unter den „Gorillas“ waren zahlreiche Prominente wie Mehmet Scholl, die Sportfreunde Stiller, Dieter Hildebrand und viele andere.
  • 2014 – 2015: Protestaktionen bei der sich eine Bürgerinitiative für den Erhalt der Gebäude in der Müllerstrasse 4-6 formiert.
  • August 2014: Gründung des Aktionsbündnis Flucht und Migration mit dem Ziel, Sammelunterkünfte von den Stadträndern ins Herz der Stadt zu bringen.
  • Januar 2015: Der Stadtrat nimmt die Abriss-Planungen für die Müllerstrasse 4-6 zurück.
  • März 2015: Gründung der offiziell eingetragenen Sozialgenossenschaft „Bellevue di Monaco eG“ mit dem Ziel in der Innenstadt ein Unterbringungs- und Kulturzentrum für unbegleitete jugendliche Flüchtlinge und interessierte Münchner*innen zu etablieren. Diese außergewöhnliche Organisationsform erlaubt es, das für Renovierung und Umbau nötige Grundkapital durch Mitgliedereinlagen aufzustellen, und gibt den Mitgliedern großes Mitspracherecht.
  • Dezember 2015: Die Sozialgenossenschaft reicht beim Kommunalreferat die Bewerbungsunterlagen für das Erbbaurecht ein.
  • Januar 2016: Start der Planung für die Sanierung durch das Architekturbüro hirner & riehl architekten und stadtplaner, welches durch einen Wettbewerb ausgewählt wurde.
  • April 2016: Die Landeshauptstadt München vergibt das Grundstück mit den Gebäuden für die nächsten 40 Jahre im Erbbaurecht an die Sozialgenossenschaft.
  • Oktober 2016: Start der Sanierungsarbeiten. Eines der wichtigsten Ziele bei der Sanierung der drei Gebäude war der weitestgehende Erhalt der bestehenden Bausubstanz. Zum einen wollte das Architekturbüro hirner & riehl architekten und stadtplaner damit der Überformung der Nachbarschaft entgegenwirken, zum anderen verfolgt es das Prinzip des ressourcenschonenden Bauens. Es wurde in den Erhalt von Bauteilen wie den alten Fenstern und Türen, den Böden und Teilen der vorhandenen Gebäudetechnik investiert, statt diese, wie üblich, durch neue Industrieprodukte zu ersetzen. Zur Umsetzung war hier ein Bewusstseinswandel aller Beteiligten notwendig.
  • Ab Januar 2017: Zweckgebundene Förderung durch das Sozialreferat der Landeshauptstadt München für das Info- und Beratungscafé und kulturelle Angebote.
  • April 2017: Die ersten sanierten Wohnungen werden bezogen.
  • August 2018: Bezug der letzten Wohnungen und Eröffnung des Info-Cafés.
  • 2019: Mit dem Video „Lass es fliegen“ und einem Stadtlauf werden unter Unterstützung Prominenter Spenden für den Dachsportplatz gesammelt.
  • April 2020: Baustellenstart Dachsportplatz
  • Oktober 2020: Eröffnung Dachsportplatz

Partnerschaften

Wer war mit im Boot?

Stadtverwaltung; Dienstleistungsunternehmen; Industrie- und Gewerbeunternehmen; Vereine; Stiftungen; Bürgerschaft; Sonstiges

Konkret:

Sanierung: hirner & riehl architekten und stadtplaner, lokale Handwerksfirmen; Förderung: Kulturreferat und Sozialreferat der Landeshauptstadt München, BuntStiftung München, Baywa, Sternstunden; Zahlreiche Träger der Jugend- und Sozialhilfe und Kooperationspartner aus den Bereichen Beratung (Arbeitsmarkt, Recht, medizinisch, psychologisch) und Schulungs- und Kulturangebote; Ehrenamtliche

Aufwände

Finanzen:

Die Gesamtkosten für die Sanierung und Eröffnung betrugen 3,4 Mio. € brutto. Die Stadt München steuerte einen Sanierungszuschuss von 1,7 Mio. € bei. Die restliche Summe wurde durch Spenden, Einlagen der Genossenschaftsmitglieder und Veranstaltungen finanziert. Für den Betrieb erhält die Genossenschaft einen jährlichen Zuschuss von der Stadt München. 

Personell:

Über mehrere Jahre haben Ehrenamtliche, Freiwillige und Vollzeitkräfte (u.a. Architekturbüro, Handwerksfirmen, Stadtverwaltung) Arbeitszeit in die Realisierung des Projekts investiert. Der Anteil der Ehrenamtlichen und Freiwilligen liegt deutlich über 50%. Auch seit der Eröffnung werden von ihnen die meisten Angebote im Bellevue getragen.

Gut zu wissen

Unsere Tipps für Nachahmer

Die Kommunikation in die Öffentlichkeit ist maßgeblich für das Gelingen verantwortlich. Hauptinitiator Till Hofmann ist vernetzt in die Münchner Politik, Verwaltung, Prominenz und mobilisierte von Anfang an namhafte Persönlichkeiten Münchens als Unterstützer für das Projekt.

Eine besondere Herausforderung, war die Genehmigung des Ballspielplatzes auf dem Dach. Der Denkmalschutz und alle Nachbarn im direkten Umfeld mussten zunächst von der Sinn- und Zeichenhaftigkeit des Objekts überzeugt werden. Eine Nachbarklage gegen das Projekt blieb vor den Verwaltungsgerichten ohne Erfolg. Ein Lärmschutzgutachten sicherte das Betriebskonzept für den Ballspielplatz ab.

Kontakt

*hirner & riehl architekten und stadtplaner partg mbb

www.hirnerundriehl.de