Karlsruhe: Platz für mehr – Mit Reallaboren gemeinsam Stadt entwickeln
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Kategorie: | |
Einwohnerzahl: | 304.937 |
Bundesland: | Baden-Württemberg |
Jahr der Umsetzung: | 2022 |
Projektvolumen: | mehr als 100.000 Euro |
Warum Best Practice?
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Erfolgsmodell: Modellphase führte zu dauerhaften Veränderungen – nicht zuletzt aufgrund wissenschaftlicher Begleitung, die Erfolge für die Politik belegbar macht
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Zielgruppenansprache: Einbezug der Stadtgesellschaft (Anwohnerschaft, Gewebetreibende, Besucher*innen) mit intensiver Informations- und Kommunikationsarbeit im Vorfeld und während und nach der Projektlaufzeit
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Strategische Einbindung: Leitprojekt „Öffentlicher Raum und Mobilität Innenstadt“ als grundlegendes Konzept, welches den öffentlichen Raum und die Mobilität integriert behandelt und der zielgerichteten Steuerung der Innenstadtentwicklung dient
Zielstellung
Was wollen wir erreichen?
- Erprobung neuer Mobilitätspraktiken, Nutzungsszenarien und die Neuverteilung des Straßenraums
- Schaffung eines attraktiven öffentlichen Raumes, welcher zum Flanieren und Verweilen einlädt
- Einbindung der Stadtgesellschaft bei der Belebung und Gestaltung der Innenstadt
Projektbeschreibung
Was ist unser Projekt? Worum geht es?
Für einen begrenzten Zeitraum wurden unter dem Motto „Platz für mehr“ bei zwei ausgewählten Standorten in der Karlsruher Innenstadt neue Mobilitätspraktiken, Nutzungsszenarien und die Neuverteilung des Straßenraumes erprobt.
Es handelte sich zum einen um den Passagehof, ein ehemaliger Lieferhof, welcher vorrangig als Parkplatz wahrgenommen wurde, aber bereits eine gewisse Aufenthaltsqualität aufwies. Der andere Bereich umfasste die nördliche Karlstraße, eine teilweise zweispurige Verkehrsachse, die eine Barriere innerhalb des Einkaufsbereiches darstellt. Beide Standorte erfuhren auf Grundlage des Leitprojektes „Öffentlicher Raum und Mobilität Innenstadt Karlsruhe“ ab Mai 2022 zeitlich nacheinander eine temporäre Umgestaltung.
Die Straßenräume wurden bis auf den Anlieger- und Lieferverkehr sowie wenige Ausnahmen für den Kfz-Verkehr gesperrt, öffentliche Parkplätze entfielen. Den Fußgängerinnen und Fußgängern konnte mehr Platz zur Verfügung gestellt werden und die Aufenthaltsqualität wurde durch neue Sitzmöglichkeiten, temporäres Stadtgrün und eine künstlerische Bespielung erhöht.
Gewerbetreibende, Eigentümer*innen, Anwohner*innen, Kulturschaffende und weitere Interessierte waren eingeladen, sich aktiv bei der Gestaltung und Bespielung der Reallabore einzubringen. Für die Durchführung von Aktionen oder Veranstaltungen erfuhren sie unkomplizierte finanzielle und organisatorische Unterstützung durch das Projektteam.
Weiterhin wurden Verkehrserhebungen, eine wissenschaftliche Begleitung und Evaluation beider Reallabore durchgeführt. Die Evaluation zeigte, dass das Reallabor Passagehof sehr gut angenommen wurde. Vor allem Aufenthaltsqualität und Aufenthaltsdauer hatten sich nach Angaben der Befragten deutlich verbessert. Auch die durch das Reallabor Karlstraße vorgenommenen Veränderungen im öffentlichen Raum wurden positiv gesehen. Dies galt insbesondere im Hinblick auf Verkehrssicherheit, Aufenthaltsqualität und Atmosphäre. Die Bewohnerschaft betonte zudem mehrheitlich eine Verbesserung der persönlichen Wohnqualität und des Miteinanders im öffentlichen Raum.
So konnte dem Gemeinderat eine Beschlussvorlage mit differenzierter Begründung und weiterem Vorgehen vorgelegt werden, um eine qualifizierte Entscheidung über die Weiterentwicklung der beiden Standorte treffen zu können. Aufgrund dieser Beschlüsse wurde eine dauerhafte Umwidmung und Veränderung der Straßenräume realisiert.
Projekt-Fahrplan
Wie sind wir vorgegangen?
Die Reallabore „Platz für mehr“ wurden innerhalb des Leitprojektes „Öffentlicher Raum und Mobilität Innenstadt Karlsruhe (2020-2022)“ umgesetzt, welches für die Entwicklung von Lösungen für alle Verkehrsarten, die anstehenden Mobilitätsfragen sowie für die Nutzung des öffentlichen Raums in der Innenstadt aus der Perspektive der davon betroffenen Menschen ins Leben gerufen wurde. Um erste Ideen und Maßnahmen des beauftragten Konzeptes noch während der Projektlaufzeit zu erproben und um das Projekt für die Öffentlichkeit erlebbar zu machen, war die Umsetzung von Pilotprojekten vorgesehen.
Konzeptionsphase, Umsetzung und Nachbereitung
- Ab Mai 2021: Konzeptionsphase inkl. Anliegergespräche
- April 2022: Beschlussfassung im Gemeinderat
- Mai 2022 – 18. Juli 2022: Projektzeitraum Reallabor Passagehof
- Juli 2022 – 31. Oktober 2022: Projektzeitraum Reallabor Nördliche Karlstraße
- Bis Januar 2023: Auswertung der durchgeführten Befragungen der Passant*innen, Anwohner*innen und Gewerbetreibenden sowie der Verkehrsanalysen
Weiterentwicklung
- Februar 2023: Beschlussfassung im Gemeinderat zur Weiterentwicklung Passagehof: formale Einleitung der Teileinziehung des Passagehofes
- September 2023: Umwidmung des Passagehofes zur Fußgängerzone, Aufstellung von neuen Sitzelementen sowie bepflanzten Stahlkübeln
- September 2023: Beschlussfassung im Gemeinderat zur Weiterentwicklung Karlstraße: Ausweisung der nördlichen Karlstraße zur Fußgängerzone oder zu einem verkehrsberuhigten Bereich
- Mai 2024: Umsetzung einer Bodenbemalung im Passagehof zur visuellen Auflösung der ehemaligen Fahrgasse und Parkplätze
- / 3. August 2024: 1. Kaiser-Passage-Hoffest
Partnerschaften
Wer war mit im Boot?
Stadtverwaltung, Vereine, Bürgerschaft, Hochschule Karlsruhe
Konkret:
Stadtverwaltung Karlsruhe (Stadtplanungsamt, Ordnungsamt, Tiefbauamt, Gartenbauamt, Kulturamt / Geschäftsstelle UNESCO City of Media Arts, Amt für Stadtentwicklung), Karlsruhe Marketing und Event GmbH, Anlieger*innen (Gewerbetreibende, Immobilieneigentümer*innen), Hochschule Karlsruhe, Vereine
Aufwände
Finanziell:
Das Gesamtbudget für die Durchführung der beiden Reallabore belief sich auf ca. 120.000 Euro (städtische Personalkosten sind nicht berücksichtigt).
Davon waren ca. 30.000 Euro für die Finanzierung der Grünpflege notwendig. Temporäre Medienkunstinstallationen sowie Lichtinszenierungen haben rund 56.000 Euro gekostet. Die Kosten für die wissenschaftliche Evaluation sowie die Durchführung von Verkehrserhebungen beliefen sich auf rund 26.000 Euro. Die finanzielle Unterstützung von kleineren Aktionen und Veranstaltungen von Vereinen oder anderen Interessierten umfasste ein Budget in Höhe von rund 7.000 Euro.
Das Projekt wurde mit über 96.000 Euro vom Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung gefördert. Ca. 25.000 Euro hat die Karlsruhe Marketing und Event GmbH übernommen.
Personell:
Die Planung und Durchführung der beiden Reallabore wurden vom vorhandenen Personal übernommen. Inklusive Planung, Nachbereitung und abschließendem Gemeinderatsbeschluss zur Weiterentwicklung dauerte das Projekt ca. 2,5 Jahre, wobei der Durchführungszeitraum der Reallabore insgesamt bei sechs Monaten lag.
Die Reallabore „Platz für mehr“ wurden innerhalb des IQ-Leitprojekts „Zukunft Innenstadt – Öffentlicher Raum und Mobilität Innenstadt“ (ÖRMI) umgesetzt. Die Federführung lag beim Stadtplanungsamt. IQ steht für eine innovativ und quervernetzte Zusammenarbeit, in der agile Arbeitsmethoden und Vernetzung über Fach- und Hierarchiegrenzen hinweg umgesetzt werden. Die Durchführung der beiden Reallabore war nur als großes Gemeinschaftsprojekt realisierbar, viele unterschiedliche Disziplinen waren bei der Planung, Umsetzung und Nachbereitung beteiligt.
Gut zu wissen
Unsere Tipps für Nachahmer
Eine besondere Herausforderung bei diesem Projekt lag in der vorbereitenden Anliegerbeteiligung. So gab es unterschiedliche Belange der anliegenden Gewerbetreibenden zu berücksichtigen und es galt Kritikpunkten sowie Bedenken gegenüber der Verkehrsberuhigung entgegenzutreten. Eine intensive Informations- und Kommunikationsarbeit in Vorbereitung eines solchen Projektes ist somit entscheidend. Im Idealfall könnte somit die Organisation der Bespielung und Beteiligung anstatt von Seiten der Stadtverwaltung auch aus der Bürger- oder Anliegerschaft heraus stattfinden.
Die Auswertung und „das Nachleben“ der Experimentierräume sollte von Anfang an mitgedacht werden.